Angst ist zunächst ein notwendiger und normaler Affekt.
Die Definition dessen, was unter „Angst“ zu verstehen ist, ist in trefflicher Weise von K. Jaspers gegeben worden.
Die Definition dessen, was als „Angststörung“ zu verstehen ist, ist schwieriger zu geben. Die Kennzeichnung von Ängsten als „Störung“ stützt sich auf Kriterien, die der Orientierung dienen können, letztlich aber unscharf bleiben. Wir geben hier mehrere „Definitionen“ wieder, da jeder Autor andere „Kriterien“ als besonders wichtig für die Hineinnahme in seine Definition empfindet und durch die vergleichende Darstellung ein Höchstmass an Einblick in die Komplexität der Störung entsteht.
Klarer und einfacher ist dagegen die definitorische Kennzeichnung der „Phobie“ sowie die Abgrenzung der Phobien untereinander
Zur Frage der Kennzeichnung von Ängsten als „Störung“:
Volker Faust (1995) grenzt „pathologische Ängste“ (im Sinne einer Störung) gegen die „vielfältigen „angemessenen“Ängste“ folgendermassen ab:
„Als orientierende Merkmale zur Diagnose einer pathologischen Angst lassen sich zwei Kriterien nennen:
- die „Unangemessenheit“ der Angstreaktion gegenüber den Bedrohungsquellen
- die Symptomausprägung, wie Angstintensität, Angstpersistenz, abnorme Angstbewältigung und subjektiver und körperlicher Beeinträchtigungsgrad.
Angst kann vor allem dann den Stellenwert einer Krankheitsbeeinträchtigung gewinnen, wenn
- reale Bedrohungen eine überwältigende und vitale Gefährdung darstellen (z.B. bei schweren Organerkrankungen und akuten oder langdauernden Verfolgungsereignissen)
- mögliche oder tatsächliche Bedrohung in ihrer Gefährlichkeit überschätzt werden (z.B. bei Herzphobie und Agoraphobie)
- Angst ohne konkrete Gefahr und Bedrohungswahrnehmung auftritt (z.B. bei Panikattacken).“ (Psychiatrie, S. 463)
Definition der Panikstörung („Herzphobie“, „Herzangstsyndrom“):
V. Faust (1995):
„Bei der Panikstörung tritt das Angsterleben ohne situative Anbindung, manchmal aus bedrohlichen Vorstellungen heraus, manchmal aber auch spontan, ohne jeden erkennbaren Grund auf („frei flottierende Angst“). Die Angst ist dadurch unvermeidbar, unkontrollierbar, von existentieller Bedrohlichkeit. Sie wird bei akutem Auftreten als „Panikattacke“ erlebt(…).“ ( S. 463)
Möller, Laux, Deister (2001):
„Panik: Ohne sichtbaren Anlass entstehende ausgeprägte Angst. Panik tritt meist anfallsartig auf und ist mit ausgeprägten körperlichen Symptomen verbunden (Panikattacke).
Panikstörung: Wiederholte, abgrenzbare Panikattacken, die unerwartet und nicht situationsgebunden sind. Es entwickelt sich schnell erwartungsangst. Die Störung ist regelmässig mit intensiven vegetativen Symptomen verbunden und häufig mit Agoraphobie kombiniert.“ (Psychiatrie und Psychotherapie, S. 116)
G. Huber (1999):
„Das wesentliche Kennzeichen der Panikstörung (F41.0) sind Panikattacken, d.h. wiederholte, nicht auf eine spezifische Situation oder ein spezifisches Objekt bezogene, typischerweise spontal auftretende Anfälle von intensiver Angst, die abrupt beginnen, meistens nur Minuten dauern und mit vegetativen Symptomen, Missempfindungen sowie Schwindel und Benommenheit, Derealisation und Depresonalisation, Angst vor Kontrollverlust und Angst zu sterben einhergehen. Ihre Beschreibung entspricht mit der Trias von vegetativen Störungen, Missempfindungen (Zönästhesien) und Sterbeangst sowie angstfreien Intervallen zwischen den Paroxysmen den dysästhetischen Krisen der Schizophrenen. (…). Neben organischen Psychosen sind auch nach ICD-10 Schizophrenie (F2) und affektive Störungen (F3) Ausschlusskriterien.“ (Psychiatrie, S. 460)
Definition der generalisierten Angststörung („Angstneurose“):
Volker Faust (1995):
„Beim generalisierten Angstsyndrom liegt ebenfalls eine spontane, nicht objekt- und situationsgebundene Angst vor. Sie ist jedoch durch eine auffallende Persistenz gekennzeichnet. Andere Angstformen wie Panikattacken (s.o.), phobische Störungen und Zwangssymptome fehlen oder sind zumindest von geringerer Ausprägung und ohne gleichwertigen subjektiven Beeinträchtigungsgrad.
Da das generalisierte Angstsyndrom auch subjektiv weniger dramatisch ist, sind die Patienten in ihrem sozialen und beruflichen Bereich im allgemeinen nur wenig beeinträchtigt. Allerdings sind Verlauf und Beziehungen zu anderen psychiatrischen Syndromen noch nicht hinreichend untersucht.“ (S. 465)
Möller, Laux, Deister (2001):
„Generalisierte und langanhaltende Angst, die nicht nur auf bestimmte Situationen oder Objekte begrenzt ist, d.h. sie ist frei flottierend. Es bestehen unrealistische Befürchtungen, motorische Spannungen und vegetative Übererregbarkeit.“ (S. 118)
G. Huber (1999) (Zitiert wird die „Definition“ und ein weiterer Abschnitt, der zum Verständnis der Störung erheblich beiträgt):
„Die generalisierte Angststörung („Angstneurose“ ist nach ICD-10 dazugehöriger Begriff) ist anhaltend und frei flottierend, oft verbunden mit Befürchtungen, der Patient oder ein Angehöriger könnten erkranken oder verunglücken, und mit vegetativer Übererregbarkeit; der Patient muss „primäre Symptome von Angst an den meisten Tagen, mindestens mehrere Wochen lang“ aufweisen. „Depression“ kann vorübergehend (wenige Tage) auftreten. Besteht sie gleichzeitig mit angst, wird „Angst und depressive Störung, gemischt“ (ICD-10 F41.2): leichte ängstliche Depression) verwendet.“ (S. 459f)
„Die unmotivierte, nicht objektgebundene Angst kann als existentielle Angst (Untergrundangst) im normalen und nichtneurotischen Seelenleben als allgemeine Grunderfahrung des Menschen vorkommen (…). Sie kann aber bei der Angstneurose auch Leitsymptom einer neurotischen Entwicklung sein; doch muss hier stets vorrangig eine endogene, schizophrene oder zyklothyme Erkrankung ausgeschlossen werden.
Bei der Angstneurose (FREUD, 1895) tritt die Angst bei den hilflos-anklammernd erscheinenden Patienten als mit vegetativen Symptomen einhergehender Angstanfall (der phänomenologisch der „neurotischen Herzphobie“, …, und den „dysästhetischen Krisen“ bei endogenen Psychosen entsprechen kann) oder als nicht auf ein bestimmtes Objekt bezogenes, frei flottierendes, intensives, länger anhaltendes Angstsyndrom auf. FREUD nahm ursprünglich als Ursache einen aktuellen Konflikt in Form sexueller Frustration mit Umsetzung verdrängter Libido in einen Angstaffekt an (…), z.B. bei Coitus interruptus oder Aufgabe von Ipsation (Onanie). Später und bis heute denkt man mehr an Trennungsängste (Verlassenwerden und dadurch bedingte Hilflosigkeit) bei Menschen, die in der Biographie Züge von Trennungsempfindlichkeit (angstneurotische Familienkonstellation) zeigen und stark von Schutzfiguren abhängig sind; ähnlich wie bei der Herzphobie (…) kann die Anwesenheit von Schutzfiguren, z.B. eines Arztes, das Symptom beheben. Angstneurotische Symptome kommen für sich allein oder kombiniert mit anderen neurotischen Erscheinungen, z.B. auch mit – lokalisierten – Phobien vor. Übereinstimmung besteht darin, dass Angstneurosen wie Phobien Ausdruck ungelöster Konflikte sind, wobei besonders die unbewusste Angst, Zuwendung zu verlieren, alleingelassen zu werden, Aggressionshemmung und Verkehrung ins Gegenteil eine Rolle spielen.“ (S. 460)
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